Besuch der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in der Landesasylstelle Brandenburg

Besuch der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter in der Landesasylstelle Brandenburg

Am 13. Oktober 2022 besuchten 15 Kolleginnen und Kollegen auf Initiative der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg (BbgVRV) und auf Einladung des Leiters der Landesasylstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Herrn U. H., die im brandenburgischen Eisenhüttenstadt gelegene Landesasylstelle und die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) mit der dort betriebenen Aufnahmeeinrichtung des Landes. Der Besuch bot Gelegenheit, einen Einblick in die Arbeit des BAMF zu gewinnen und einen fachlichen Austausch über generelle Aspekte, die die Arbeit im Prozessverfahren betreffen, zwischen der Richterschaft und den Mitarbeitern des BAMF zu pflegen.

Die Veranstaltung begann mit einer Begrüßung durch Herrn H., der ebenfalls Ausführungen zur aktuellen Lage der Außenstelle des BAMF in Eisenhüttenstadt machte. Die Außenstelle befinde sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer angespannten Situation. So habe sich die Zahl der Asylantragstellungen im Land Brandenburg seit dem letzten Jahr verdreifacht. Aufgrund politischer Veränderungen in der Türkei sei nunmehr Syrien das Hauptherkunftsland der Asylantragsteller, gefolgt von Afghanistan. Mit Stand 13. Oktober 2022 habe die Anzahl der Asylantragstellungen in Brandenburg bei 4.500 gelegen, bis Jahresende würden insgesamt bis zu 6.000 Anträge erwartet. Der Zeitraum zwischen Asylantragstellung und Anhörung der Antragsteller zu ihren Asylgründen betrage gegenwärtig regelmäßig vier Wochen.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, an Anhörungen von Asylantragstellern mit Herkunftsland Syrien teilzunehmen, die auch mit großem Interesse wahrgenommen wurde. Teil des Programms war ebenfalls eine Führung über das weitläufige Gelände der Landesasylstelle durch Herrn H., die einen sehr guten Einblick in den Ablauf der Asylantragstellung in Eisenhüttenstadt und insbesondere den dort betriebenen integrierten Prozess von Mitarbeitern sowohl der Landesasylstelle wie auch der Zentralen Ausländerbehörde gewährte.

Sodann stellte der Referent der Außenstelle des BAMF in Frankfurt (Oder), Herr L. W., die aktuelle Lage des Prozessbereiches der Landesasylstelle Brandenburg vor. Die Prozessabteilung habe zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen großen Anhang an Verfahren, so bearbeiteten fünf Sachbearbeiter einen Anhang von insgesamt 5.600 Verfahren zu 8.000 Personen. Die Neueinstellung von zwei weiteren Sachbearbeitern sei beabsichtigt. Die meisten Verfahren der Prozessabteilung beträfen das Herkunftsland Russische Föderation, gefolgt von Iran, Syrien, Irak und Afghanistan. Von den 100 bis 160 mündlichen Verhandlungen im Asylrecht, die in Brandenburg monatlich stattfänden, könne die Prozessabteilung aufgrund des hohen Arbeitsanfalls bis auf Weiteres lediglich 10 bis 20 Prozent wahrnehmen statt der angestrebten 30 Prozent.

Im Rahmen einer offenen Frage- und Diskussionsrunde konnten schließlich sowohl durch die Richterinnen und Richter als auch die Mitarbeiter des BAMF wechselseitig Fragen gestellt werden und wichtige aktuelle Themen diskutiert werden. Angesprochen wurde von der Richterschaft etwa die von § 102a der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehene Zulässigkeit der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung. Seitens des BAMF wurde diesbezüglich ausgeführt, dass man einer Teilnahme an mündlichen Verhandlungen im Wege der Videokonferenz grundsätzlich offen gegenüberstehe, wobei die diesbezügliche Vorgehensweise im BAMF noch zentral abgestimmt werden müsse. Zu der von einigen Richtern aufgeworfenen Frage, wie sich beim BAMF die Praxis der Informationsgewinnung hinsichtlich der Abgrenzung der Fälle nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) (insbes. „Dublin“-Fälle) und Nr. 2 (Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat) gestalte, erläuterten die Vertreter des BAMF, sie seien gehalten, etwa dann, wenn ein Fall nach Art. 18 d) Dublin III-VO durch den Mitgliedstaat angegeben werde, dies im Regelfall für die Annahme einer Ablehnung des dortigen Asylantrags genügen zu lassen. Für die Verwaltungsgerichte bestehe natürlich die Möglichkeit, über das Bundesamt ein Info-Request an den betreffenden Mitgliedstaat etwa zu den Einzelheiten des Verfahrensablaufs anzufordern (Datum der Entscheidung, Rechtsmittelentscheidung, ggf. auch Inhalt der Entscheidung und Gründe). Die Ergebnisse des Info-Request-Verfahrens seien je nach Mitgliedstaat allerdings mehr oder weniger erfolgversprechend. Gegenstand des Gesprächs war schließlich die neue Weisungslage im BAMF bei Asylverfahren mit Bezug zu einer Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung, die Rückpriorisierung von Verfahren mit dem Herkunftsland Ukraine sowie das Fehlen einer neuen Weisungslage bei Verfahren mit dem Herkunftsland Russische Föderation.

Der Besuch der Außenstelle Eisenhüttenstadt des BAMF und der ZABH gab den Teilnehmern einen wertvollen praktischen Einblick in die tatsächlichen Abläufe im Rahmen der Asylantragstellung. Gleichfalls gewinnbringend war der Austausch mit den Vertretern des BAMF, wobei es zu hoffen gilt, dass in Zukunft ein ähnlicher Austausch mit Vertretern der Anwaltschaft zustande kommen wird.

Text: F. Lewandowski, Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)

Hinweis auf einen ähnlichen Beitrag: Richterbesuch bei der Außenstelle in Frankfurt (Oder) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (22. Oktober 2018)


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