Bericht vom Besuch beim BAMF in Frankfurt (Oder)

Bericht vom Besuch beim BAMF in Frankfurt (Oder)

Richterbesuch bei der Außenstelle in Frankfurt (Oder) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge

 

Am 22. Oktober 2018 hat ein von der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg (BbgVRV) sowie von der Außenstelle (AS) in Frankfurt (Oder) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) organisierter Besuch von 12 Richterinnen und Richtern der Verwaltungsgerichte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam sowie eines jüngst nach Berlin gewechselten Kollegen in der seit 2015 nach und nach umorganisierten AS des BAMF (formal ist es die Dependance der AS Eisenhüttenstadt des BAMF) stattgefunden. Die Veranstaltung knüpfte an die bewährte Tradition von jährlichen Besuchen der damals noch in Eisenhüttenstadt auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung befindlichen AS an, die wegen der besonderen Belastungssituation 2017 ausfallen musste.

Der AS-Leiter, Herr Hanschmann, hatte wie bei den vorangegangenen Besuchen gemeinsam mit mehreren Bediensteten der AS ein dicht gedrängtes Programm vorbereitet, das der Vorstellung der neuen Strukturen und Abläufe in der AS sowie der Diskussion asylrechtlicher Fragen diente. Nach einem Überblick über die aktuellen Herausforderungen des BAMF insgesamt wie insbesondere der AS wurde die Personalentwicklung der AS vorgestellt, die es nunmehr u.a. zunehmend ermöglichen soll, dass das BAMF wieder inhaltlich als Prozesspartei in Erscheinung tritt und auch Gerichtstermine wahrnimmt. Insgesamt wurde sehr deutlich, dass sich die Belastungssituation der AS gegenüber 2015 mit bis zu 500 Asylanträgen pro Tag inzwischen ebenso stark verändert hat (derzeit etwa 15 Asylanträge pro Tag) wie die Personalausstattung, die 2015 bei 65 bis 70 Bediensteten lag und derzeit 80 Bedienstete in den Bereichen Asyl, Integration und Prozessbereich der AS und 60 Bedienstete im Ankunftszentrum umfasst. Das 2015 den damaligen Umständen geschuldete, mit etwa 15 000 Fällen zu verzeichnende sog. EASY-Gap (nicht erfasste Asylantragsteller) konnte sukzessive bis April 2016 aufgelöst werden, indem z.B. mobile Teams zur Erfassung der Betroffenen durch das Land reisten. Mit der Einrichtung des Ankunftszentrums in Eisenhüttenstadt sowie der Außenstelle des BAMF in Frankfurt (Oder) ist der Umstrukturierungsprozess der AS abgeschlossen. Der Fokus lag immer darauf, möglichst zügig die Anhörungen der Asylantragsteller durchzuführen; von den Anhörungen wurde bei den nach eigenem Vortrag aus Syrien gebürtigen Antragstellern in Brandenburg nur während eines sehr kurzen Zeitraums abgesehen. Für die im Ankunftszentrum zu bearbeitenden aktuellen Fällen sei heute eine Dauer von vier Wochen zwischen der Anlage des Vorgangs bis zur Entscheidung erreicht worden. Die älteren sowie Verfahren besonderer Fallgruppen werden in der Außenstelle abgearbeitet. Insgesamt betrage die durchschnittliche Entscheidungsdauer der AS 2,3 Monate mit einer Schutzquote von etwa 24 % (Bund 35 %). Neuerdings nehme die Bedeutung von Widerrufsprüfungen deutlich zu. Zunächst erfolge die Frage eines Regelwiderrufs gem. § 73 AsylG insbesondere bei nicht angehörten Syrern.

Anschließend stellte eine Mitarbeiterin der AS den dortigen Verfahrensablauf und die Zusammenarbeit zwischen dem Ankunftszentrum in Eisenhüttenstadt sowie der AS in Frankfurt (Oder) dar. Im Ankunftszentrum treffen die Asylbewerber ein, werden sie registriert, wird grds. der Asylantrag aufgenommen, erfolgt die Anhörung und wird die Entscheidung verfasst. Dies betrifft in erster Linie diejenigen Asylantragsteller, die in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. Insbesondere die komplexeren Fälle (z.B. Iran, Türkei, Dublin-Abbrüche, gerichtshängige Verfahren) werden in der AS bearbeitet, bei welcher auch die Prozessabteilung, die Abteilung Integration sowie die Test- und Meldestelle eingerichtet sind.

Ein Prozesssachbearbeiter der AS erläuterte die aktuelle Lage im Prozessbereich der AS mit inzwischen sechs volljuristisch ausgebildeten Bediensteten und sieben Bürosachbearbeitern. Derzeit beläuft sich der Prozessaktenbestand auf 9 413 Verfahren. Es werde angestrebt, die Vertretung in allen Verhandlungen vor der Kammer sicherzustellen, in den Fällen ausdrücklicher Ladung (§ 95 VwGO) und im Einzelfall bei besonderem Anlass (Beobachtungsfälle, Konversion u.ä.). Der Bearbeiter wies auf die erhebliche zeitliche Bindung in den Fällen der Sitzungsvertretung hin (Fahrtzeiten, Dauer der Verhandlung, Berichtspflicht im Nachgang zur Terminwahrnehmung). Auf Nachfrage gab er an, dass sich mitunter erst während des laufenden Gerichtsverfahrens ergebe, dass ein Fall unter besonderer Prozessbeobachtung gestellt wird. Ferner wies er darauf hin, dass es aus technischen Gründen und wegen des Verwaltungsablaufs bis zu vier Tage dauere, bis im EGVP übermittelte Schreiben bei den zuständigen Bediensteten anlangen. Daher warb er für eine unmittelbare telefonische Kontaktaufnahme in dringenden Fällen. Kostensachen sowie zweitinstanzliche Gerichtsverfahren werden von der BAMF-Zentrale bearbeitet.

Nach einer kurzen Begehung der Räumlichkeiten und einem von der AS bereit gestellten Snack hielt eine Prozesssachbearbeiterin der AS ein Impulsreferat zur Problematik des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Schutz in einem anderen Mitgliedstaat), wobei sie den Rechtsstandpunkt des BAMF erläuterte und sich eine emsige Diskussion zu den unterschiedlichen Rechtsauffassungen sowie ganz verschiedenartigen Auskunftsweisen der anderen Mitgliedstaaten anschloss.

Ein weiteres Impulsreferat der Teamleiterin Asyl der AS beschäftigte sich mit Fragen zum Thema Konversion, das in auffallend vielen Fällen insbesondere iranischer Staatsangehöriger eine Rolle spiele. Dabei wies sie auf die Erfahrungen der Anhörer und Anhörerinnen in der AS hin, dass bei den relativ kurz nach der Asylantragstellung erfolgenden Anhörungen wenig konkrete Angaben zur behaupteten Konversion gemacht würden. Der Vortrag werde häufig erst während der relativ langwierigen Gerichtsverfahren „angereichert“. Außerdem werde das Auftreten immer wieder derselben spezialisierten Anwaltskanzleien sowie bestimmter Kirchenkreise kritisch gesehen.

Abschließend wurden wechselseitig interessierende Fragen thematisiert. Sowohl die Bediensteten des BAMF wie auch die richterlichen Besucher beteiligten sich interessiert an der Diskussion. Damit erwies sich auch der diesjährige Besuch als ein großer Gewinn für die Teilnehmer. Er hat zu einem besseren Verständnis für die unterschiedlichen Interessen sowie Befindlichkeiten der Behörde auf der einen und der Gerichte auf der anderen Seite beigetragen, ohne den Respekt vor den individuellen Interessen der Asylantragsteller aus dem Blick zu verlieren.

 

(VRiVG Wilfried Kirkes, Verwaltungsgericht Potsdam)


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