Zusätzlicher Spruchkörper für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Zusätzlicher Spruchkörper für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Pressemitteilung der BbgVRV vom 12. November 2022

Die Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg (BbgVRV) fordert:

Das gemeinsame Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg muss dringend mit einem zusätzlichen Spruchkörper (Senat), d. h. mit weiteren Stellen für eine Vorsitzende Richterin oder einen Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht und zwei Richterinnen oder Richtern am Oberverwaltungsgericht, ausgestattet werden.

Dies ist dringend erforderlich, um die Arbeitsfähigkeit des Oberverwaltungsgerichts vor dem Hintergrund der bei diesem ganz erheblich, nämlich auf rund 230 angestiegenen Zahl anhängiger erstinstanzlicher Verfahren, die insbesondere im Zusammenhang mit der Energiewende (etwa betreffend die Genehmigung von Windkraftanlagen allein 53 Verfahren) stehen, zu erhalten und zu stärken. Außerdem ist dafür Sorge zu tragen, dass für die eingerichteten Stellen auch die Besetzungsverfahren durch die erforderlichen Ausschreibungen zügig eingeleitet werden.

Anderenfalls droht die beabsichtigte Beschleunigung von solchen Infrastrukturvorhaben, die den Gesetzgeber in den vergangenen Jahren zur mehrfachen Erweiterung der erstinstanzlichen Zuständigkeiten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe der Länder bewogen haben, nicht nur ins Leere zu laufen, sondern ins Gegenteil verkehrt zu werden. Das betrifft insbesondere die Vorhaben, die im Zusammenhang mit der angestrebten Energiewende stehen, wie die schon erwähnten Streitverfahren betreffend Windkraftanlagen.

Zugleich ist ansonsten zu befürchten, dass die allgemeine Verfahrensdauer vor dem Oberverwaltungsgericht insgesamt stark ansteigen wird, sich die Belastungssituation somit auf die weiteren anhängigen erst- und zweitinstanzlichen Verfahren negativ auswirken wird. Davon wären dann mittelbar auch die im Regelfall in erster Instanz zuständigen Verwaltungsgerichte in Berlin und Brandenburg und die dort Rechtsuchenden betroffen. Denn für die Verwaltungsgerichte sind in nicht wenigen Fällen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts vorgreiflich oder zumindest wegweisend, wenn es etwa um die Auslegung von Landesrecht oder die Wirksamkeit von Satzungen geht.

Zum Hintergrund:

Der (Bundes-)Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren die erstinstanzlichen Zuständigkeiten der Oberverwaltungsgerichte erheblich ausgeweitet. Das betrifft insbesondere investitionsrelevante Genehmigungsverfahren (insbesondere für Windkraftanlagen), Planfeststellungsverfahren und Normenkontrollanträge betreffend Bebauungspläne, andere Satzungen und Regionalpläne und geschah insbesondere mit dem Ziel, solche Streitigkeiten zu beschleunigen

(vgl. hierzu insbesondere die Einführung von § 48 Abs. 1 Nr. 3a und 3b Verwaltungsgerichtsordnung VwGO – durch das Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen vom 3. Dezember 2020, BGBl. I, 2694 sowie § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 a, 12 b und 14 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14. Juni 2021,
BGBl. I, 1760).

Der Gesetzgeber sieht deshalb auch vor, dass solche Verfahren in speziellen Spruchkörpern bearbeitet werden (§ 188 a und § 188 b VwGO) und dass der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien ein überragendes öffentliches Interesse zukommt (vgl. § 2 EEG).

Mehrere Länder haben deswegen ihre Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe bereits mit einem weiteren Senat (Spruchkörper) ausgestattet, ebenso hat das Bundesministerium der Justiz dem Bundesverwaltungsgericht für 2023 einen weiteren Senat mit Unterbau zugesagt.

Für Berlin und Brandenburg ist das aber nicht geschehen, obwohl das gemeinsame Oberverwaltungsgericht durch die neuen Zuständigkeiten auch im bundesweiten Vergleich besonders stark belastet ist. Inzwischen sind rund 230 erstinstanzliche Verfahren beim Oberverwaltungsgericht anhängig, von denen allein 53 Windenergieanlagen und 56 Normenkontrollanträge betreffen. Dabei ist die Belastung mit erstinstanzlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Energiewende besonders erückend. So ist das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der 53 Verfahren betreffend Windkraftanlagen bundesweit (nach NRW mit 120 Verfahren) am zweithöchsten belastet. Zudem ist durch eine Gesetzesänderung in Berlin vom 14. September 2021 (§ 62a JustG Berlin) die Möglichkeit der Normenkontrolle zum Oberverwaltungsgericht ab Mitte 2022 nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auch für andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften eröffnet worden, so dass zukünftig auch insoweit mit zusätzlichen Rechtsstreitigkeiten nach Berliner Landesrecht zu rechnen ist.

Vor diesem Hintergrund bedarf es für die Stärkung der Arbeitsfähigkeit des Oberverwaltungsgerichts, die seiner Funktion, eine effektive Rechtskontrolle von Verwaltungsentscheidungen zeitnah zu ermöglichen, hinreichend gerecht wird, dringend der Einrichtung eines weiteren Senats. Dies wird auch vom Oberverwaltungsgericht und vom Brandenburgischen Justizministerium so eingeschätzt. Außerdem müssen die Besetzungsverfahren auch zügig eingeleitet werden. Derzeit wird die Unterausstattung des Oberverwaltungsgerichts noch dadurch verschärft, dass absehbar offene Stellen (derzeit mindestens zwei) bislang nicht ausgeschrieben werden.

12. November 2022

Martin Schröder

Vorsitzender BbgVRV
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht

Die Pressemitteilung als PDF: Download der Pressemitteilung vom 12. November 2022


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