Unzureichende gesetzliche Grundlagen für Beurteilungen der Richter und Beamten?

Unzureichende gesetzliche Grundlagen für Beurteilungen der Richter und Beamten?

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem am 18. Februar 2021 veröffentlichten Beschluss (Beschluss vom 21. Dezember 2020 – BVerwG 2 B 63.20 –) mit den rechtlichen Grundlagen der dienstlichen Beurteilungen von Richtern und Beamten in Brandenburg befasst.

Gegenstand der Entscheidung war die Klage eines Richters am Sozialgericht, der sich beim Verwaltungsgericht Potsdam (Urteil vom 18. Januar 2018 – VG 11 K 1304/16 –) und nachfolgend beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 9. Juni 2020 – OVG 4 B 8.19 –) gegen eine Beurteilung wandte, die er für seine Tätigkeit beim Bundessozialgericht erhalten hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hob den Beschluss des OVG wegen eines Verfahrensfehlers auf und verwies den Rechtsstreit an das OVG zurück.

Hinweise des Bundesverwaltungsgerichts

In der Entscheidung wies das Bundesverwaltungsgericht auf die erhebliche Bedeutung dienstlicher Beurteilungen als die maßgebliche Vergleichsgrundlage bei Auswahlentscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz („Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“) hin. Ferner führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG wesentlichen Regelungen der Gesetzgeber selbst treffen müsse und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen werden dürfen. Die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung von Beurteilungen seien vom Gesetzgeber zu bestimmen.

Sodann führt das Bundesverwaltungsgericht aus:

“Demgegenüber hat der Gesetzgeber des Landes Brandenburg für den Bereich der Beamten auf jegliche eigene Regelung verzichtet und die Gestaltung von dienstlichen Beurteilungen – unzureichend – allein der Exekutive in Gestalt von Verwaltungsvorschriften überlassen. Denn § 19 BrbBG vom 3. April 2009, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Juni 2019 (GVBl. I/19), benennt als Gegenstand der dienstlichen Beurteilung Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten und bestimmt lediglich noch, dass das Nähere Verwaltungsvorschriften regeln.

Auch die im Land Brandenburg für die dienstlichen Beurteilungen von Richtern maßgebliche Vorschrift erscheint defizitär. § 9 Abs. 3 BbgRiG, auf den auch das Berufungsgericht maßgeblich abgestellt hat (UA S. 6), überlässt die Regelung der dienstlichen Beurteilung von Richtern in Gestalt einer Blankettermächtigung der obersten Dienstbehörde in Form von Beurteilungsrichtlinien, d.h. bloßen, dem Wesentlichkeitsgebot nicht genügenden Verwaltungsvorschriften. Das Richtergesetz des Landes Brandenburg vom 12. Juli 2011 (GVBl. I/11 Nr. 18) selbst bestimmt in § 9 Abs. 1 und 2 unmittelbar nur wenige inhaltliche Vorgaben. Es regelt lediglich die Arten der Beurteilungen, den Vorrang der Regelbeurteilung und den Anspruch des betroffenen Richters auf Beteiligung des Richterrats und der Schwerbehindertenvertretung an der Besprechung der dienstlichen Beurteilung.”

Folgen für dienstliche Beurteilungen in Brandenburg?

Möglich erscheint, dass der Gesetzgeber mit einer Neufassung der Normen des § 19 Landesbeamtengesetz Brandenburg und § 9 Abs. 3 BbgRiG reagieren könnte.

Nach der Zurückweisung des Rechtsstreits wird sich aller Voraussicht nach das Oberverwaltungsgericht auch erneut mit dem Fall des Richters am Sozialgericht befassen. Gegebenenfalls erhält (nach Einlegung eines weiteren Rechtsmittels) dadurch das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, sich nochmals mit den  – bislang lediglich in der Form eines obiter dictums – aufgeworfenen Fragen auseinander zu setzen.

Fraglich ist, welche Folgen die Entscheidung für die auf  Grundlage der bisherigen gesetzlichen Regelungen und der hierauf beruhenden Verwaltungsvorschriften und Richtlinien erstellten dienstlichen Beurteilungen für Beamte und Richter des Landes Brandenburg bis zu einer (womöglich gebotenen) Neuregelung haben könnte. Denkbar erscheint, dass Richter- und Beamtenbeurteilungen und auf deren Grundlage derzeit durchgeführte und noch nicht abgeschlossene Auswahlverfahren (z.B. um Beförderungsstellen) angegriffen werden könnten.

Denkbar erschiene nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 19. Januar 2021 – 1 M 143/20 -, dort Randnummer 22) aber auch, die bisher geltenden Verwaltungsvorschriften über die Beurteilung übergangsweise weiter anzuwenden. Für den Bereich der Richter wäre dies die Gemeinsame Allgemeine Verfügung der Ministerin der Justiz und der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“ (BeurtAV) vom 20. Juni 2005 (JMBl. Sondernummer I S. 4), zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 29. August 2011 (JMBl. S. 107) (abzurufen bei BraVors) und für die Beamten die im jeweiligen Bereich geltenden Beurteilungsvorschriften (z.B. für Polizeibeamte: Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Kommunales über die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im Landesdienst (Beurteilungsrichtlinie – BeurtVV).

 

Anmerkung: Der Beitrag dient lediglich der Information über aktuelle rechtliche und/oder tatsächliche Entwicklungen. Er muss nicht mit den von der BbgVRV und ihren Mitgliedern vertretenen Ansichten übereinstimmen.


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