Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung und zur Änderung weiterer besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2022

Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung und zur Änderung weiterer besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2022

Die Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg, BbgVRV hat im Verfahren der Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung  für ein  Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung und zur Änderung weiterer besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2022 der Beamten und Richter des Landes Brandenburg am 22. September 2022 wie folgt Stellung genommen.

Sehr geehrte Frau S,
sehr geehrte Damen und Herren,

gerne nehme ich für unsere Richtervereinigung die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem o.g. Gesetzentwurf wahr.

Zunächst einmal ist zu begrüßen, dass der Landesgesetzgeber mit dem Entwurf nicht nur das Tarifergebnis für die Angestellten umsetzt, sondern für die Besoldungsempfänger weiteren Anpassungsbedarf ermittelt hat. Die entsprechende kräftige Anhebung der Familienzuschläge dürfte dabei nach den angestellten Berechnungen anhand der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung allerdings auch überfällig sein.

Gleichwohl verfehlt der Entwurf im Ergebnis die selbst gesteckten Ziele. Weder entspricht die Besoldung danach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für eine amtsangemessene Alimentation (I.), noch wird die Attraktivität der Beamten- und Richterämter im öffentlichen Dienst des Landes hinreichend gewahrt (II.).

I. Amtsangemessene Alimentation der Beamten und Richter

Ziel des Gesetzentwurfes ist neben der Umsetzung der Tarifanpassung ausdrücklich die Prüfung der Besoldung anhand der vom BVerfG aufgestellten Kriterien. Die beabsichtigte Lösung – deutliche Erhöhung der Familienzuschläge und Schaffung eines Familiensonderzuschlags – erweist sich im Ergebnis aber als unzureichend, weil der Entwurf hinsichtlich des zentralen Kriteriums des Mindestabstandsgebots von falschen tatsächlichen und rechtlichen Prämissen ausgeht. In der Folge dürfte das Mindestabstandsgebot verletzt sein und die Besoldung sich daher (auch) in 2023 als von Verfassung wegen zu niedrig erweisen.

1. Ermittlung des Grundsicherungsniveaus einer vierköpfigen Familie (3.6.2.1 des Entwurfs)

Nach dem Entwurf werden die Regelbedarfe auf Grundlage der Fortschreibungssystematik des § 28a SGB XII für das Jahr 2023 fortgeschrieben. Dies mag grundsätzlich methodisch zutreffend sein. Es entspricht aber weder tatsächlich noch rechtlich der aktuellen Lage.

Denn wie auch zuvor schon absehbar hat das Bundeskabinett am 14. September 2022 beschlossen, dass das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 mit einem Regelsatz von 502 Euro kommen soll. Dies dürfte somit im Jahr 2023 den im Entwurf angenommenen 420 Euro monatlich gegenüberstehen. Allein hieraus folgt eine Differenz bzw. ein Plus von weit über 150,- Euro monatlich für eine  vierköpfige Familie (Bedarfe für die Kinder noch gar nicht berücksichtigt). Nichts anderes gilt für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH – Ziffer 3.6.2.1.2 des Entwurfs). Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt (soweit angemessen). Insoweit wird die aktuell schon absehbare sehr  drastische und dynamische Entwicklung der Gas- und sonstigen Energiepreise nicht ansatzweise berücksichtigt. Es steht zu vermuten, dass der im Entwurf in Ansatz gebrachte Bedarf für KdUH einer vierköpfigen Familie um 30 bis 40 Prozent über dem Betrag von 1.050, – Euro monatlich liegen dürfte.

2. Wahrung des Mindestabstandsgebotes

Soweit der Entwurf für die Prüfung des Mindestabstandsgebots dem ermittelten Grundsicherungsbedarf einer vierköpfigen Familie zudem die Alimentation einer vierköpfigen Beamtenfamilie in der untersten Besoldungsstufe gegenüberstellt, wird sachfremd in die Alimentation ein Mindestverdienst des Ehepartners des Beamten von 450 Euro eingerechnet. Die dazu gegebene Erläuterung (Ziffer 3.6.2, S. 10 ff. des Entwurfs), es könne im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG insoweit die Familienkonstellation zugrunde gelegt werden, die der gesetzgeberischen  Grundkonstellation entspreche, im Ergebnis sei daher nicht mehr auf das Modell der Alleinverdienerehe abzustellen, steht indes in Widerspruch zu der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 -, Rn. 47), die in der Begründung des Entwurfs nur unvollständig zitiert wird. Die Argumentation in der Entwurfsbegründung verkennt den Grundgedanken der beamtenrechtlichen Alimentation, indem sie die Alimentation um einen Mindestverdienst des Ehepartners des Beamten anreichert.

Da auch der brandenburgische Gesetzgeber an die Bezugsgröße der vierköpfigen Beamtenfamilie anknüpft, gilt weiterhin, was das BVerfG im Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 -, BVerfGE 255, 1-76, Rn. 47 ausgeführt hat:

„…Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kin-der – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf. Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Be-amtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen. …“

Damit methodisch nicht zu vereinbaren ist es, wenn der Besoldungsgesetzgeber der Besoldung einen Verdienst des Ehepartners hinzurechnet, um den hinreichenden Mindestabstand der Besoldung von dem Grundsicherungsniveau einer vergleichbaren Familie sicherzustellen. Denn nicht das Familieneinkommen, sondern nur die dem Beamten gewährte Alimentation ist Gegenstand der Prüfung auf ihre Angemessenheit. Der Gesetzentwurf verkennt, dass es sich bei dem Mindestabstandsgebot um einen aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grund-satz und nicht um ein auf Beamte zugeschnittenes Grundsicherungsrecht handelt. Das Abstandsgebot besagt insofern, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unter-schied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern in ihrem Amt geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 -, a.a.O., Rn. 47 m.w.N.). Das hypothetische Einkommen eines Ehepartners hat bei dieser Betrachtung außen vor zu bleiben. Denn, wie das BVerfG im Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 – (a.a.O., Rn. 23) ausführt:

„Das Alimentationsprinzip wird von verschiedenen Determinanten geprägt. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Ge-walt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. …“

Von daher sollte die Überprüfung des Mindestabstandgebots richtigerweise ohne Einstellung eines Verdienstes des Ehepartners erfolgen, was im Ergebnis dazu führen dürfte, dass die Grundbesoldung oder der Familienzuschlag für das erste und zweite Kind erhöht werden müssen. In der Folge bedarf es dann allerdings auch nicht eines Familiensonderzuschlags (§ 6a des Gesetzentwurfs), der ohnehin verfehlt ist, weil damit die Besoldung an Kriterien des Sozialhilferechts ausgerichtet, nämlich in Widerspruch zum Alimentationsprinzip teilweise vom Verdienst des Ehepartners abhängig gemacht wird.

II. Attraktivität der Ämter im öffentlichen Dienst

Bezüglich des im Entwurf auch erwähnten Ziels, die Attraktivität der Ämter im öffentlichen Dienst für Bewerberinnen und Bewerber zu steigern, sind lediglich marginale und damit nicht hinreichende Verbesserungen festzustellen.

Wie auch den Landtagsabgeordneten bekannt sein dürfte, steht das Land Brandenburg aufgrund des allseits großen Personalbedarfs von öffentlichen Verwaltungen und der Justiz in einem starken Konkurrenzverhältnis zu anderen (benachbarten) Ländern und muss sich dort neben anderen Faktoren auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Besoldung behaupten. Das wird gerade im gehobenen und höheren Dienst immer schwieriger. Es sollte einleuchten, dass ein Besoldungsgesetzgeber, der sich maßgeblich bestenfalls – und wie oben aufgezeigt, wohl nicht hinreichend – darum bemüht, dass die gewährte Besoldung gerade noch den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt, aus Sicht von Bewerberinnen und Bewerbern hinsichtlich der Besoldung wenig attraktiv erscheint. Ziel sollte es daher sein, eine auch im jeweiligen beruflichen Umfeld attraktive und konkurrenzfähige Besoldung zu bieten. Hinsichtlich der Ämter der Richter und Staatsanwälte sind insoweit auch die deutlich gestiegenen Gehälter für überdurchschnittlich qualifizierte Juristen bei Anwaltskanzleien und in der Wirtschaft zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht hält die Richterbesoldung in ihrer Entwicklung nicht ansatzweise Schritt sondern fällt immer weiter hinter das Gehaltsniveau der hinsichtlich der juristschen Qualifikationsanforderungen vergleichbaren Berufe zurück (vgl. dazu ausführlich bereits die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes – Landesverband Brandenburg zum Entwurf vom 23. April 2022, dort unter 3.b, S. 6 ff.).

Unabhängig davon verbleiben aber gerade für jüngere Bewerber im Vergleich zum direkten Nachbarn Berlin spürbare und durch Internetrecherche leicht in Erfahrung zu bringende finanzielle Nachteile.

Zwar ist zu begrüßen, dass durch den Wegfall der untersten Eingangs-Erfahrungsstufen in vielen Fällen die Einstiegsbesoldung etwa für junge Richterinnen und Richter etwas erhöht wird. Gegenüber dem Land Berlin ergeben sich, auch wenn Anfangs- und Endbesoldung beider Länder im Bereich R1 und R2 nah beieinanderliegen, für junge Kolleginnen und Kollegen in den ersten zehn Jahren nach dem Berufseinstieg jedoch gravierende finanzielle Unterschiede. Das liegt darin begründet, dass der Berliner Besoldungsgesetzgeber in den ersten Erfahrungsstufen einen wesentlich deutlicheren Anstieg der Grundbesoldung vorsieht, so dass ungeachtet des langsameren Rhythmus des Aufstiegs nach Erfahrungsstufen (dort alle drei statt zwei Jahre) im Ergebnis wesentlich früher eine hö-here Grundbesoldung erreicht wird (vgl. dazu Stellungnahme des Deutschen Richterbundes – Landesverband Brandenburg zum Entwurf vom 23. April 2022, dort unter 3., S. 4 ff.). Hinzu kommt, dass das Land Berlin eine Jahressonderzahlung gewährt.

Die Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg fordert daher den Gesetzgeber auf, den aufgezeigten Bedenken Rechnung zu tragen und den Entwurf noch entsprechend nachzubessern.

Mit freundlichen Grüßen

gez.Martin Schröder


Wir sind nicht auf sozialen Netzwerken vertreten. Wir würden uns aber freuen, wenn Sie unsere Beiträge weiter verbreiten und teilen.